Hermann Gottschewski
Predigt zum Sonntag Quasimodogeniti
am 7. April 2013 in der Kreuzkirche Tokyo
Liebe Gemeinde,
Die Geschichte vom auferstandenen Jesus, wie er leibhaftig seinen
Jüngern erscheint: Sollen wir sie eigentlich glauben? Eigentlich eine
für einen Christen müßige Frage, denn in der Bibel wird uns
unmissverständlich gesagt, dass wir sie glauben sollen. Aber wie sollen wir sie glauben? Mit diesem wie möchte ich mich heute befassen.
Wie sollen wir glauben, dass
Jesus leibhaftig auferstanden ist? Diese Frage kann in doppelter Weise gelesen
werden.
Einerseits kann man so fragen aus der Sicht eines Ungläubigen. Wie sollen wir das glauben? Das ist doch
unglaublich, oder besser gesagt unglaubhaft, denn Jesus war
körperlich tot, ein vernünftiger Mensch kann doch gar nicht glauben,
dass er wieder auferstanden ist. Wie eine solche Legende entstanden ist,
dafür haben wir doch bessere Erklärungen. Waren es nicht nur
Halluzinationen seiner Jünger, oder vielleicht sogar bewusst erfundene
Lügen, die eine solche Geschichte in Umlauf brachten? Und wie wir sehen
werden, gibt uns sogar die Bibel selbst starke Argumente für solche
Zweifel in die Hand.
Wie sollen wir das glauben? So kann man aber auch
aus der Sicht eines Gläubigen fragen, der die Mahnung Jesu zu Herzen
genommen hat: „Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben.g Für
einen solchen Gläubigen ist es keine Frage, dass wir es glauben sollen; aber wie, das heißt in
welcher Weise wir es glauben sollen, diese Frage stellt sich auch dem
Gläubigen. Sollen wir diese Geschichte als eine Allegorie glauben, als
etwas, was vielleicht nicht wirklich stattgefunden hat, aber in symbolischer
Weise eine höhere Wahrheit ausdrückt? Oder sollen wir wirklich an eine
leibhaftige, das heißt an eine physikalisch und physiologisch reale
Rückkehr von Jesus ins Leben glauben? Und falls wir an eine solche reale
Auferstehung glauben sollen, ist diese reale Auferstehung der wichtigste Teil
der Botschaft, die wir glauben sollen, oder geht es noch um etwas ganz anderes,
das wir glauben sollen, und das über physikalische Realitäten weit
hinausgeht?
Jesus ist leibhaftig
auferstanden!
Sollen wir das überhaupt
glauben? Und falls ja, in welcher Weise sollen wir es glauben? So lassen sich die
beiden Lesungen meiner eingangs gestellten Frage zusammenfassen.
Die Geschichte von der Auferstehung Jesu ist von der ersten Stunde an eine
Geschichte der Glaubenszweifel. „Von der ersten Stunde ang: Das
heißt, sie ist eine Geschichte der Glaubenszweifel
schon in dem ersten Moment, als Jesus erst Maria Magdalena und dann seinen
Jüngern leibhaftig erscheint. Und sie wird bald zu einer Geschichte vom Unglauben, sobald sie weitererzählt
wird. Wir haben das in der heutigen Evangeliumslesung
gehört (Johannes 20, 19–29), den Versen, die als „die
Geschichte vom ungläubigen Thomasg bekannt sind. Und wie immer bei
biblischen Geschichten geht es in dieser Geschichte nicht um irgend jemanden,
mit dem wir nichts zu tun haben, sondern es geht um unseren eigenen Unglauben.
Wenn wir nicht mit gutem Grund
ungläubig sein könnten, gäbe es auch keinen Grund, diese
Geschichte zu erzählen. Die Geschichte macht uns Mut, uns mit unseren
Glaubenszweifeln und unserem Unglauben offen auseinanderzusetzen: Sollen wir überhaupt glauben? Und wenn
ja, in welcher Weise?
In dem heutigen Predigttext wird die Geschichte von der leibhaftigen
Wiederkehr Jesu etwas anders, vor allem aber in einer kompakteren Weise
geschildert als bei Johannes. Die gesamte Geschichte von seiner Erscheinung bis
zur Himmelfahrt wird dort in nur 12 Versen zusammengefasst, die das Ende des
Markusevangeliums bilden. Diese Verse aber haben es in sich. Wir wollen sie
zunächst in ihrem Zusammenhang hören.
9 So war er in der Frühe des ersten Wochentages
auferstanden und erschien zuerst der Maria Magdalena, aus der er sieben
Dämonen ausgetrieben hatte.
10 Und diese ging hin und verkündete es denen, die bei
ihm gewesen waren und jetzt trauerten und weinten.
11 Als sie hörten, dass er lebe und ihr erschienen
sei, da wollten sie es nicht glauben.
12 Später erschien er noch zwei anderen aus ihnen
unterwegs in einer andersartigen Gestalt, als sie über Land gingen.
13 Auch jene gingen hin und erzählten es den
übrigen; jedoch auch ihnen wollten sie nicht glauben.
14 Zuletzt erschien er den Elfen selbst, als sie zu Tische
saßen. Er rügte ihren Unglauben und ihre Herzenshärte, weil sie
denen nicht geglaubt hatten, die ihn als einen von den Toten Auferstandenen
gesehen hatten.
15 Hierauf sprach er zu ihnen: "Gehet hin in alle Welt
und verkündet die frohe Botschaft der ganzen Schöpfung!
16 Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet
werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden.
17 Und diese Zeichen werden die Glaubenden begleiten: In
meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen
reden;
18 sie werden Schlangen aufheben, und sollten sie
Tödliches trinken, werden sie nicht Schaden leiden; Kranken werden sie die
Hände auflegen, und sie werden gesund werden."
19 So sprach der Herr Jesus zu ihnen. Darauf ward er in den
Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes.
20 Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr
wirkte mit ihnen, und er gab ihrer Rede Kraft durch die nachfolgenden
Wunderzeichen.
Mit diesen Worten schließt das Markus-Evangelium. In diesem Text geht
es zunächst um Jesu leibhaftiges Erscheinen, aber nicht so, wie sonst ein
leibhaftiger Mensch erscheint, sondern es wird ausdrücklich gesagt, dass
er in verschiedenen Gestalten erschien. Auch nach anderen biblischen Berichten
ändert er seine Gestalt, kommt und geht unangekündigt durch
verschlossene Türen, wie ein Gespenst. Wie
sollen wir das glauben? Die Befürchtung, dass es sich bei der
Erscheinung Jesu um ein Gespenst handeln könne, hatten nach Matthäus
auch seine Jünger, denn dort lesen wir: „Aber
in der vierten Nachtwache kam er zu ihnen, wandelnd auf dem See. Und als die Jünger ihn auf
dem See wandeln sahen, wurden sie bestürzt und sprachen: Es ist ein
Gespenst! Und sie schrieen vor Furcht.g
(Matthäus 14, 25–26) Das
wenigstens müssen wir heute nicht glauben, und so müssen wir uns
nicht fürchten: An Gespenster glauben wir nicht. Aber dass berichtet wird,
Jesus sei unter verschiedenen Gestalten erschienen, das ist ja doch wohl ein
gutes Argument dafür, dass wir heute an dieser ganzen Geschichte zweifeln
sollten.
Wäre
es wirklich der leibhaftige Jesus gewesen, hätten ihn seine Gefährten
ja wohl auch sofort erkannt, aber es wird vielfach berichtet, dass ihn selbst
seine engsten Bekannten nicht wiedererkannten.
Falls wir
uns nun aus guten Gründen auf
die Seite derjenigen schlagen, die an die leibhaftige Auferstehung nicht
glauben, so können wir auch nicht glauben, dass Jesus die Worte, die in
unserem Predigttext berichtet werden, jemals ausgesprochen hat. Hat also,
müssen wir uns fragen, Jesus seine Jünger jemals „wegen ihres
Unglaubens und ihrer Herzenshärteg, wie es heißt,
„gerügtg? Und vor allem, hat er den von Luther so genannten
„Missionsbefehlg jemals gegeben, also diese verhängnisvollen
Sätze gesagt, die, ob zu Recht oder zu Unrecht, über Jahrhunderte zur
Rechtfertigung der Kreuzzüge, der Unterwerfung ganzer Völker, der
Vernichtung von Kulturen und eines doch eigentlich ganz unchristlichen Hochmuts
der Christenheit herhalten mussten?
Die moderne Bibelforschung gibt uns weitere Argumente in die Hand, daran zu
zweifeln, dass unser Predigttext von wahren Begebenheiten berichtet, denn bei
den heute verlesenen Versen scheint es sich um einen späteren Zusatz zu
handeln. Die ursprüngliche Version des Markusevangeliums endete entweder
mit der Entdeckung des leeren Grabes und der Ankündigung von Jesu
Erscheinung in Jerusalem, oder sie hatte eine andere, für uns heute verlorene
Fortsetzung. Es ist also immerhin möglich, dass dieses älteste der
vier Evangelien überhaupt keinen authentischen Bericht von der
leibhaftigen Begegnung mit Jesus nach seiner Kreuzigung enthielt. Ist es also
nicht alles eine später entstandene Legende? Ist nicht seine leibhaftige
Erscheinung nur eine Allegorie auf etwas, was wir in einer anderen, rein
geistigen Weise glauben sollen? Denn hätte der Evangelist auf die
Darstellung der Begegnungen mit Jesus nach der Auferstehung verzichtet, wenn
sie wirklich stattgefunden hätten? Das hätte er wohl kaum getan, es
sei denn, er gehörte auch zu denjenigen, die diese Geschichte nicht
glaubten.
Diese Vorüberlegungen möchte ich zu einer ersten These über
den Glauben an die Auferstehung zusammenfassen.
Wir dürfen aus guten
Gründen an der leibhaftigen Auferstehung zweifeln, und den Tadel Jesu an
den Zweiflern brauchen wir uns nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen, denn vielleicht
hat er ihn nie so ausgesprochen. Die Bibel selbst liefert uns diese guten
Gründe, und wir müssen uns für unsere Zweifel nicht
schämen, denn selbst die Jünger Jesu hatten solche Zweifel. Und auch
über die historischen Hintergründe des sogenannten Missionsbefehls
sollten wir uns lieber unbefangen Gedanken machen, statt ihm unbedingten
Gehorsam zu leisten.
Mit dieser ersten These ist aber die eingangs gestellte Frage, ob wir an
die leibliche Auferstehung glauben sollen und, falls ja, in welcher Weise, noch
in keiner Weise beantwortet.
Zweifellos ist es wirklich wichtig,
diese Frage überhaupt zu stellen, denn ihre Beantwortung hat nicht nur
für den Glauben, sondern auch für die moralische Bewertung des
Handelns eines Christen erhebliche Implikationen. Die Entscheidung, an die
leibhaftige Auferstehung nicht zu
glauben, wäre wahrscheinlich die unserer modernen Zeit gemäßere,
und scheinbar auch die bequemere.
Denn in diesem Fall müssten wir den Missionsbefehl und den Tadel an den
Ungläubigen als eine Legende auffassen, die sich unter den Frühchristen
ausgebildet hat, ohne in einer Begegnung mit dem historischen Jesus
begründet zu sein. Und das machte es uns viel einfacher, mit diesen
schwierigen Sätzen umzugehen.
Vielleicht wurde diese Geschichte beispielsweise bewusst in die Welt
gesetzt, um entstehende Machtstrukturen unter den Frühchristen zu
festigen. Wer glaubt und sich taufen
lässt, wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden
— so soll Jesus nach unserem Predigttext gesagt haben. Klingen diese
Worte nicht viel eher nach der Propaganda einer Gruppe, die ihre Gegner mundtot
machen will, als nach den Worten des Jesus, den wir aus anderen biblischen
Geschichten kennen? Die Kraft des Glaubens — das ist eine Botschaft, die
wir von Jesus kennen. Aber diesen Glauben mit einer Drohung erzwingen zu
wollen, das erscheint doch als ein großes Missverständnis, und wenn
wir auf die 2000 Jahre der Kirchengeschichte zurückblicken, als ein ganz
fatales Missverständnis. Ein durch Drohungen erzeugter Glaube kann seine
Kraft niemals entfalten. Er kann nur Hochmut und Feindschaft säen. Und
auch in unserer Zeit, in der neue Religionskriege keineswegs undenkbar sind,
sollten wir uns gegen solche Missverständnisse wohl wappnen.
Da es für einen Christen viel einfacher ist, eine solche Drohung den
Menschen zuzuschreiben, die Jesus nachfolgten, als ihn selbst einer solchen historischen
Fehlleistung zu bezichtigen, wäre es jedenfalls bequem, uns auf die Seite
derjenigen zu schlagen, die der Erzählung von der leiblichen Auferstehung
Christi keinen Glauben schenken konnten. Die Auffassung, dass Jesus seinen
Jüngern den Missionsbefehl gar nicht so erteilt habe, wie es im Neuen
Testament überliefert ist, würde uns von einer schweren Anfechtung
unseres Glaubens befreien. Allerdings machte uns das den Glauben an ganz
anderer Stelle plötzlich viel schwieriger und höbe ihn auf eine sehr
intellektuelle Ebene.
Wenn wir nämlich die Realität der Auferstehung bestritten —
und dann wohl auch in einem Atemzug damit die Realität der
Jungfrauengeburt —, dann wären wir der einzigen wirklichen Indizien
dafür beraubt, dass Jesus mehr als ein gewöhnlicher Mensch gewesen
ist. Das würde zwar nicht zwingend zu einer Ablehnung der göttlichen
Offenbarung durch Jesus führen, aber wir müssten die gesamte Bibel in
einer zweischichtigen Weise lesen, der Oberfläche, die aus konkreten
Geschichten besteht, und der spirituellen Wahrheit, die durch diese
Oberfläche hindurch erkennbar ist. Und wir müssten eine strikte
Trennung zwischen dem historischen Jesus, der gestorben ist, und dem Messias
als symbolischer Figur, die uns im Glauben gegenwärtig ist,
durchführen.
Damit Sie mich nicht missverstehen: Ich halte ein solches aufgeklärtes
Christentum nicht für einen falschen, sondern für einen
möglichen Weg des Glaubens, der mir sogar sympathisch ist. Es ist aber ein
sehr steiniger Weg, keineswegs der bequemere. Denn wenn wir den
jungfräulich geborenen und auferstandenen Jesus als Mittler der
göttlichen Offenbarung aufgeben, öffnet sich jeder einzelne Satz der
Bibel unseren Zweifeln, und es wird ungeheuer schwierig, aus dem christlichen
Glauben diejenige Kraft zu schöpfen, die ein ganz naiver, unkomplizierter
Glaube ohne jeden Zweifel vielen Menschen bis heute gegeben hat. Die Forderung,
auch einen ganz unbefangenen, unbedingten Glauben an die göttliche
Offenbarung zuzulassen, ist also rational begründet und durch die
Tatsache, dass gerade dieser Glaube dem Glaubenden reale Kraft verleiht,
empirisch gerechtfertigt.
Die Zweifel, die wir aus guten
Gründen haben und haben dürfen, nagen dennoch an unserem Glauben
und hindern ihn daran, seine Kraft in uns entfalten zu können. Diese
Zweifel können durch intellektuelle Konstrukte
kaum, noch weniger aber durch Drohungen besiegt werden. Beide Wege
widersprechen vollkommen der Forderung Jesu, dass wir das Reich Gottes annehmen
sollen wie ein Kind.
In unserem Predigttext wird einigen Jüngern von ihren vertrauten
Freunden von der Auferstehung Jesu berichtet, aber diese Jünger beharren
auf ihren intellektuellen Zweifeln. Jesus tadelt dieses Beharren. Die wahre
Bedeutung dieser Geschichte scheint mir in der Tatsache verborgen zu sein, dass
es die Freunde waren, denen die Jünger nicht geglaubt hatten. Der Tadel
Jesu ist ein Plädoyer für das unmittelbare, das bedingungslose, das
kindliche Vertrauen in unsere Mitmenschen.
Denn Jesus hatte sich diesen Jüngern nicht
persönlich offenbart, sondern sie sollten ihren Freunden glauben, was
diese gesehen hatten. Es ist ein Plädoyer dafür, dass wir einem uns
im Vertrauen begegnenden Mitmenschen und seiner Lebenserfahrung mehr Gewicht
beimessen sollen als unseren intellektuellen Überlegungen. Das
Göttliche im Menschen lässt sich nicht in widerspruchsfreien
Argumentationen entschlüsseln, aber wir können es in unseren
Mitmenschen unmittelbar erfahren, wenn wir ihnen im Vertrauen begegnen.
Und von dem Standpunkt dieses naiven Glaubens ist auch der Missionsbefehl
zunächst einmal etwas vollkommen Unverfängliches. Wenn wir die Kraft
des Göttlichen im Menschen erfahren haben, warum sollen wir nicht in die
Welt hinausgehen und von unserer Erfahrung erzählen, selbst auf die Gefahr
hin, dass uns niemand glaubt? Ist nicht Maria Magdalena, sind nicht die anderen
beiden Jünger, denen Jesus in unserem Predigttext offenbar geworden war,
ein gutes Beispiel für das Verständnis des Missionsbefehls? Sie haben
von ihrer Glaubenserfahrung erzählt, und ihnen wurde nicht geglaubt.
Dennoch haben nicht sie die
Ungläubigen getadelt. Der Tadel Jesu traf auch nicht diejenigen, die noch
in ihrem Unglauben verharrten, sondern er traf diejenigen, die durch seine
Offenbarung doch noch bekehrt worden waren. Ich denke, mit diesem Tadel wollte
Jesus nicht die Gläubigen über die Zweifler moralisch erheben,
sondern er wollte gerade umgekehrt verhindern, dass diejenigen, denen er sich
direkt offenbart hatte, sich moralisch über die nach ihnen kommenden
erheben würden, denen diese direkte Offenbarung nicht mehr zu teil werden
konnte. Dadurch wurde die Exklusivität des Jüngerkreises
ein für alle Mal aufgelöst, und die Kraft des Glaubens wurde für
alle Menschen geöffnet.
Wenn nur der Missionsbefehl nicht so missverständlich wäre!
Historisch gesehen hat sich gezeigt, und leider zeigt es sich auch heute noch
im Verhalten mancher radikalen Christen, dass der Satz leicht zu moralischer
Überheblichkeit führen kann. Richtig scheint mir, dass wir auf die
Rettung der Menschheit durch das Göttliche im Menschen vertrauen müssen,
und dass ein mangelndes Vertrauen in dieses Göttliche die Menschheit ins
Verderben führt. Falsch ist, dass damit die Menschen in zwei Gruppen
eingeteilt werden, die Geretteten und die Verdammten, selbst wenn der Bibeltext
in der uns überlieferten Form das leider suggeriert. Aber eben auch nur,
wenn die Worte aus ihrem Kontext gerissen werden. Denn die Ungläubigen,
von denen hier die Rede ist, sind nicht diejenigen, die später verdammt
werden, sondern es sind solche, denen später auch die Offenbarung zuteil
wird. Auch wenn das Beharren auf dem intellektuellen Zweifel von Jesus in
dieser Geschichte nicht gutgeheißen wird, wird den Zweiflern am Ende die
Offenbarung nicht verweigert.
Stellt man sich also auf den Standpunkt des naiven Glaubens, sollte man den
Missionsbefehl nicht als eine historische Fehlleistung betrachten, sondern nur
als einen Satz, der leicht missverstanden werden kann und deshalb dringend
eines Kommentars bedarf.
Ich weiß nicht, wie es um Ihren Glauben steht. Für mich
persönlich kann ich nur sagen, dass ich meistens denjenigen Jüngern
näher stehe, die die Geschichte von der
Auferstehung nicht naiv glaubten. Noch ist in mir die Überzeugung, dass
wir jeglichen naiven Glauben mit unseren intellektuellen Zweifeln
bekämpfen müssen, fest verwurzelt. Statt die Wahrheit von der
Auferstehung anzunehmen, versuche ich, sie mir intellektuell zu erklären.
Den Tadel Jesu höre ich mit einiger Verwunderung. Doch ahne ich schon
lange, dass es letztlich nicht der Intellekt, sondern nur das Vertrauen in die Mitmenschen sein kann,
das das Göttliche in uns weckt. Durch dieses
zwischenmenschliche Vertrauen werden wir in die Lage versetzt, das Leiden und
die Vergänglichkeit sowohl von uns selbst als auch von den Menschen, die
wir lieben, anzunehmen, denn wir können darauf vertrauen, dass auch nach
dem persönlichen Tod die Sache der Menschheit in guten Händen ist.
Wenn Jesus mit seiner beispielhaften Art, zu leben und zu sterben, den Menschen
diese Einsicht vermittelt hat, dann hat er den Tod wirklich für uns
überwunden. In dieser Ahnung hat mich das Nachdenken über diese
Geschichte bestärkt. Möchte die Geschichte auch zu jedem von Ihnen in
je ihrer eigenen Weise sprechen.
Amen